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Bürger oder Unteran?

Das Ärgerlichste an den Corona-Verharmlosern ist das Selbstmitleid, mit dem sie beklagen, ihre Meinung würde unterdrückt. Dabei ist bald das Gegenteil der Fall. Zum Beispiel bei Servus TV, das zwecks Publikumsanbiederung Obskuranten die Bühne bietet. Nicht zu reden von den Sozialen Medien, die ohnehin voll von Wahnideen sind. Und nicht zu reden von der Nonchalance, mit der im Zuge der Berichterstattung über den Terroranschlag in Wien wie selbstverständlich davon ausgegangen wurde, dass die Leute sich vor dem nächsten Lockdown im Gasthaus noch einmal austoben.

Dabei hatte der Gesundheitsminister eindringlich ersucht, sofort die sozialen Kontakte einzuschränken und nicht erst, wenn das Gesetz es verordnet. Der neuerliche Lockdown wurde nämlich nicht verhängt, um uns zu unterdrücken, wie Verschwörungstheoretiker meinen, sondern uns per Gesetz und Polizei vor uns selbst zu schützen, da wir dazu offenbar nicht in der Lage sind.

Leider verhalten sich zu viele nicht wie verantwortliche Bürger, sondern wie unmündige Untertanen, die etwa privat weiterfeiern, wenn es im Gasthaus verboten ist, weil sie sich von denen da oben, vom blöden Kanzler oder gleich vom lieben Gott nichts dreinreden lassen wollen. Und weil sie nicht begreifen, wie sehr sie sich in ihrer Sündenlust schaden, wenn sie die niemals vollkommenen Versuche einer Regierung, eine Gefahr abzuwenden, ignorieren oder unterlaufen.

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Burkhardt Wolfgang

    Sehr geehrter Herr Schöpf, sie haben vollkommen recht.
    Die Meinung der Corona-VerharmloserInnen wird nicht unterdrückt. Mittlerweile ist tatsächlich das Gegenteil der Fall. Das liegt daran, dass Menschen, die versuchen, sich eine Meinung unter Anwendung von Vernunft und Logik zu bilden, in der Regel glauben, andere Menschen, welche das Gegenteil vertreten, mit Argumenten überzeugen zu können.
    Das ist aber dann nicht der Fall, wenn es sich bei den Gegenargumenten nicht um Meinungen im eigentlichen Sinn handelt, sondern lediglich um zweckdienliche Aussagen, welche nicht zwangsläufig adaptierungsbedürftig werden, wenn sich die Sachlage ändert. So wird erklärbar, warum ausdauernd Standpunkte vertreten werden, welche logisch betrachtet überholt sind, weil diese ja trotzdem zur Erreichung bestimmter Ziele nützlich sein können.

    Zwei Beispiele für die Überrepräsentierung in der TT:
    • Frage des Tages TT vom 07.11.2020 auf Seite 2:
    Die Antworten zur Frage des Tages belegen lediglich, dass man es geschafft hat, sinnlose Behauptungen flächendeckend zu verbreiten. Die Corona-Ampel ist ja mittlerweile neutral gesehen nur noch eine nützliche Visualisierungsmöglichkeit für das lokale Infektionsgeschehen in Österreich. Mehr war aus verschiedenen Gründen nicht umsetzbar.
    Sie ist derzeit überall rot, aber mit etwas Phantasie kann man sich vorstellen, dass derjenige Bezirk, welcher sich als erstes wieder auf Orange zurückfärbt, sicherlich froh darüber sein wird.
    • Die Analysen und Leitartikel von Frau Anita Heubacher in der TT passen gut dazu, auch jene vom 07.11.2020 auf Seite 2: Sicherlich ist die Angst vor dem wirtschaftlichen Schaden von Corona-Maßnahmen groß, da hat sie recht. Aber dass sie tatkräftig dazu beiträgt, diesen zu maximieren, indem sie Leute darin bestärkt, sich gegen einfache, kostenfreie und unschädliche Maßnahmen zu stellen, steht auf einem anderen Blatt. Ihr Vergleich zum Amerika des Donald Trump passt insofern, als auch dort parteipolitisches und persönliches Kalkül über das Gemeinwohl gestellt wird.

    Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar, hat Ingeborg Bachmann gesagt. Was aber ist die „Wahrheit“ ohne die Stimmigkeit der Argumentation?
    • Warum schüren diejenigen, die beklagen, dass die Regierung Angst schürt, Angst? Angst vor dem Verlust der Freiheit, Angst vor Bevormundung und Diktatur, vor der Zerstörung der Wirtschaft?
    • Warum beklagen diejenigen, welche postuliert haben, dass die Maßnahmen der Regierung im Frühjahr und Sommer überzogen gewesen seien, dass die Regierung es versäumt hätte, rechtzeitig auf den neuen Anstieg zu reagieren?
    • Warum werden diejenigen, welche behauptet haben, dass das Virus von alleine verschwinde und es keine zweite Welle geben könne, niemals zugeben, dass sie Unrecht gehabt haben?
    • Warum versuchen diejenigen, welche alles daran gesetzt haben, den Bürgern weiß zu machen, dass etwas gesetzlich nicht erzwungen werden und nicht sinnvoll sein kann, nicht jene Bürger, welche sie mit ihren Kampagnen erreicht haben, zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung zu motivieren, um den Schaden für die Wirtschaft und Gesellschaft möglichst klein zu halten?
    • Warum bekennen diejenigen, die viel Energie darin investiert haben, zu verbreiten, dass die Analyse von Zahlen und Trends nicht sinnvoll sei, nicht ein, dass sie die Situation unterschätzt haben? Dass die Auslastung von Intensivstationen zwar wirtschaftlich sinnvoll, aber menschlich wenig erstrebenswert ist?
    • Warum waren es ausgerechnet diejenigen, die die Kollateralschäden im Frühjahr infolge verschobener Behandlungen beklagt haben, welche nach dem Sommer ständig auf die geringe Belegung von Krankenhaus- und Intensivbetten hingewiesen und so rechtzeitige Maßnahmen unpopulär gemacht haben?
    • Warum beklagen sich diejenigen, die Planbarkeit verlangen, dass die Regierung versucht, den Bedarf an zusätzlichen Maßnahmen voranzukündigen?
    • Warum beklagen sich diejenigen, die rasches Handeln fordern, wenn Maßnahmen ohne Vorankündigung in Kraft gesetzt werden?
    • Warum sagen diejenigen, welche propagieren, dass man nur Menschen mit Vorerkrankungen und ältere Menschen schützen muss, sie aber nicht isolieren darf, nicht, dass das nur geht, wenn Betreuer und Besucher sicher stellen, dass sie sich nicht selbst anstecken? Und dass das nur dadurch geht, wenn man sich schützt – unabhängig davon – ob man jung oder alt ist!
    • Warum sagen diejenigen, die genau wissen, warum alles, was von Seiten der Regierung getan wird, falsch ist, nicht, wie genau man es besser machen könnte?
    Die einfache Antwort ist, dass es diesen Leuten überhaupt nicht darum geht, dass wir die Krise wirtschaftlich und gesundheitlich möglichst gut überstehen. Alleiniges Ziel ist es zu verhindern, dass die Beliebtheitswerte der Regierung zu hoch werden. Dafür ist jedes Mittel recht.
    Größe ist eben relativ: Wenn man selbst nicht die nötige Größe aufbringt, dann muss man die Leistungen der anderen, mit denen man sich vergleicht, schmälern. Wir sind voll im Trumpismus angekommen.

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