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Entschuldigt sich jemand?

Das Vorurteil war einfach zu schön, um wahr zu sein. Danach waren es geldgierige und rücksichtslose Touristiker, die wieder einmal den von ihnen korrumpierten Politikern in die Arme fielen, um die gerade auslaufende Skisaison und damit ihren letzten Zaster zu retten. Ungeachtet der Tatsache, dass dadurch von Ischgl aus ganz Europa mit dem Covid-19 Virus verseucht wurde.

Nun liegt der umfangreiche Bericht der Expertenkommission zur Untersuchung des Krisenmanagements rund um die Causa Ischgl vor. Unter der Leitung des ehemaligen OGH-Vizepräsidenten Ronald Rohrer durchwühlte die Kommission 5.798 Seiten an Unterlagen und kam zur Erkenntnis, dass von Seiten der Tourismuswirtschaft keinerlei Druck auf die politischen Entscheidungsträger ausgeübt wurde und eventuelles Versagen eher im Bereich der Hoheitsverwaltung und nicht im Bereich der Tourismuswirtschaft zu verorten sei.

Es ist also nichts mit dem billigen Feindbild vom bösen Kapitalisten, über dessen Untugenden sich um das Heil der Menschheit besorgte Dichter, Dramatiker, Fotografen, Kabarettisten und Redakteure publikumswirksam empörten. Vornehm seien ihre Namen verschwiegen, um sie als Lohn für ihr mieses Verhalten nicht noch berühmter zu machen. Schön wäre es allerdings, wenn zumindest einer oder eine von ihnen die Größe hätte, sich bei den Opfern ihrer Vorverurteilungen zu entschuldigen.

Wir werden vergeblich warten!

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Albert Herrnegger

    Lieber Herr Schöpf,
    ich möchte mich im Namen meiner Familie und im Namen der vielen Tourismusbetriebe (fast ausschließlich Familienbetriebe) im Paznauntal herzlich bei Ihnen für Ihre Kolumne in der TT vom 17.10.2020 bedanken.
    Die Pandemie hat unsere Region und den Bezirk im März überraschend hart und unvorbereitet getroffen – man tat, was möglich war – und machtennatürlich – in dieser nie dagewesenen Krise – auch Fehler.
    Fehler in der Pandemiebekämpfung werden aber auch heute noch (man glaubt es kaum) fast täglich begangen – siehe aktuelle Situation.
    Nach 7 Monaten an einseitiger und reißerischer Berichterstattung von medialer und – schändlicher Weise – auch von politischer Seite – hat man es nun (hoffentlich nur beinahe) geschafft, eine ganze Region – nämlich das GESAMTE Paznauntal, an den Rand des wirtschaftlichen Ruins zu treiben.
    Leider bedeutet dies auch für die Zukunft der kleineren Tourismusgemeinden im Paznauntal nichts Gutes.
    Alle „Rand-Gemeinden“ (See/ Kappl/ Galtür) sind wesentlich von der Entwicklung und Investitionen des touristischen Zugpferdes – Ischgl – abhängig. Alle Investitionen im Tal (und die sind beträchtlich), hängen direkt von den hart erarbeiteten touristischen Erfolgen der Betriebe ab.
    Ich vermute, dass in ein zwei Jahren dann die Frage gestellt wird, warum denn in unserer Region nur mehr ein Bruchteil der vergangenen Jahre investiert wird. Das wäre dann ja wieder einmal ein Grund auf die Tourismusbetriebe und Regionen draufzuhauen!
    Wir würden uns einfach etwas mehr Respekt für unseren wirtschaftlichen Erfolg der Vergangenheit, unser tägliches Bemühen und unseren Fleiß erwarten.
    Während andere in den schönsten Jahreszeiten Ihren Urlaub genießen, bemühen wir uns monatelang diesen Gästen einen schönen Urlaub zu bescheren.
    Wir haben noch nicht erkannt, was daran unredlich, gierig oder unmoralisch sein soll?
    Die Schaffung von Arbeitsplätzen wird in den nächsten Jahren in diesem Umfeld schwierig, aber das ist eine andere Geschichte!
    Nochmals herzlichen Dank für Ihre moralische Unterstützung und ein schönes Wochenende!

  2. Helmut Leisz

    Sehr geehrter Herr Schöpf –
    heute komme ich einmal auf SIE zu … mit meiner jahrzehntelangen Erfahrung im TSOI!
    Sie wissen ja auch wie es bei Musikern in Ensembles so abläuft!
    Es kommt nicht oft vor – dass ein Musiker im Orchester – ganz egal aus welchen Gründen –
    auf der Probe … oder sogar auf der Bühne … oder dem Orchestergraben im Theater – ein Solo
    vergeigt … einen Fehler macht … also falsch spielt!
    Das kann passieren – das ist menschlich – und wird auch toleriert!
    In meinen 40 Jahren als Musiker hat es aber doch einige Fälle gegeben, wo diese Fehler – nach
    mehrmaligen Auftreten die schlimmsten Konsequenzen – nämlich die Entlassung – nach sich zogen!
    (Namen und Ereignisse sind mir noch geläufig!)
    Da sind die Folgen für den Musiker fatal – aber für die Allgemeinheit überschaubar – außer Überraschung und manchmal Ärger – wird es wohl keine bleibenden Folgen für das Publikum geben!
    Wie schaut´s aber in der Tiroler Politik aus – was muss sich ein Politiker leisten – oder was muss er vergeigen – dass es Kosequenzen hat … er kann sich offensichtlich Alles leisten!
    Eine Rücktrittskultur gibt es da ja nicht – oder vielleicht eine persönliche Haftung … hahahaha!
    Natürlich würde niemand gerne auf das fürstliche Salär verzichten müssen – wo er doch permanente Rückendeckung von höchster Stelle hat!
    „Pecunia non olet“ …. je mehr … desto besser … heißt es wohl bei unseren verantwortlichen Politikern! Wie die Erfahrung lehrt – gleich welcher Farbe sie sind – wenn sie an die Macht kommen – sind alle früheren – laut hinausposaunten Vorsätze und Ideen – wie weggeblasen!
    Es ist sinnlos die ganzen Fehler und Misstände aufzulisten – die in letzter Zeit und schon früher im
    Gesundheitswesen – aber auch in anderen Bereichen passiert sind – aber wie ich heute in der TT lesen konnte – wird wieder Einiges auf die lange Bank geschoben … oder mittels Statistik schöngeschrieben!
    Was bleibt: Die Erkenntnis – „Tirol isch lei oans“ …. !

  3. Monika Hammerl

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Sie haben mir mit Ihrem Bericht aus der Seele gesprochen! Niemand hat je einen Ischgler oder eine Ischglerin gefragt, wie es ihnen gesundheitlich geht oder wie sie mit der Medienhetzeumgegangen sind. Sie waren sehr still und haben alles mehr oder weniger tapfer weggesteckt. Die Morddrohungen und Angriffe auf die Familie werden sie weniger gut verkraftet haben.
    Ich lebe seit Jahren in Zams auf einem Bauernhof weit weg vom Tourismus, bin aber eine gebürtige Ischglerin und das im Herzen auch geblieben. Die Ischgler haben auch sehr viel richtig gemacht, die damaligen Bauern haben sich getraut, das wenige Geld, das sie hatten, in eine Seilbahn zu stecken. Den Erfolg sieht man jetzt, es gehört alles den Einheimischen.
    Es gibt natürlich auch Negatives und ein Ibiza der Alpen find ich jetzt nicht so toll. Nicht jeder Einheimische will so einen ausufernden Tourismus, aber er akzeptiert jeden, der mit Aprés-Ski sein Geld verdient. Der deutsche Gast feiert gern und das bekommt er auch geboten. Wir waren in unserer Jugend beim 5 Uhr Tee im Hotel Christine, was war es toll dort, jetzt muss ich das natürlich nicht mehr haben… Mein Vater (geb.1919) musste im Krieg seinen Kopf hinhalten und als kleiner Junge mit vier Jahren in einer wilden, schrofigen Gegend rund um Ischgl Ziegen hüten. Nach diesen schweren Zeiten hat er den Tourismus als wahren Segen betrachtet und kein einziges Mal hat er sich negativ darüber geäußert!
    Der tolle Fotograf, der einen eigenen Fotoband mit seinen „Kunstwerken“ herausgegeben hat, war jahrelang ein gut bezahlter Mitarbeiter beim TVB und hatte Zeit genug, solche Fotos zu suchen und zu finden, wenn ich mir sein Porträtfoto so ansehe..ein durch und durch freudloser, genussferner und gefrusteter Zeitgenosse.
    Herr Maschitz vom „Schauplatz“ hat eine perfekte Doku abgeliefert, er hat sein Handwerk ja auch gelernt! Wenn man den Ort und die Einheimischen sehr gut kennt, weiß man wie ungerecht und einseitig sie dargestellt wurden und mir hat es wehgetan, das zu sehen! Letztens habe ich gelesen, dass sich momentan nur mehr alles um die Hoteliere und die gierigen Touristiker drehen würde, nein, es dreht sich auch um die vielen Facharbeiter und Handwerker, die sich durch die Arbeit im Tourismus eine gesicherte Existenz schaffen konnten und die im Herbst im Konvoi durch das Tal fahren, jetzt ist es auch da sehr ruhig geworden.
    Das ist meine Sicht der Dinge und ich hoffe diese, meine Meinung, hat Sie jetzt auch interessiert?!

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