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Helmuth Schönauer
Tiroler Trumpelstilzchen
Stichpunkt

Was ist laut, schrill und verhöhnt die Intelligenz? ‒ Der Trumpismus!

Zum Zuschauen im Afterworkmodus war diese tägliche Vorabendserie bis vor kurzem noch durchaus unterhaltsam, wenn seriöse Argumente in der Luft zerfetzt wurden und alles in einem üblen Verdauungswind endete.

Wenn du aber wie in Amerika eine Krankenversicherung haben wolltest und statt dessen einen Golfspieler mit Parolen über das Green schreien hörtest, warst du ziemlich angefressen. Und wenn dann dumme Floskeln sich noch zu einem Sturm auf das Kapitol vereinten, war wirklich Gefahr in Verzug.

Seit das amerikanische Original einen längeren Abstecher nach Florida hingelegt hat, merken die Tiroler mit Entsetzen, dass der Trumpismus auch in Tirol schon weit fortgeschritten ist. Und manche haben gar Angst, dass es demnächst zum Putsch kommen wird.

Täglich schreien nämlich ein Rumpelstilzchen aus dem Zillertal und ein rhetorischer Dieselblock aus der Transportszene mit deftigen Parolen um die Wette.

Während das Zillertaler Männchen gegen Abend hin ein paar Mal in die Luft springt, um seinem Frust auf alles, was keine Seilbahn ist, herauszuschreien, fordert der akustische Selbstzünder ohne jegliche Lärmdämmung, dass seine LKWs Tag und Nacht rollen müssen. In Trump-Manier sind beide vor allem laut, unsympathisch und gegen die Intelligenz der Bevölkerung ankämpfend unterwegs.

Mittlerweile testen sie bereits aus, ob man auch gegen den Landeshauptmann putschen soll. Denn dass man gegen die Bevölkerung kämpfen muss, wenn man Geschäfte machen will, ist ihnen in der Wirtschaftskammer längst klar.

Die Tiroler Bevölkerung ist gespalten. Die einen haben nackte Angst um die Demokratie und schauen sich Bilder von den Trumpisten auf dem Weg ins Kapitol an. Die anderen hoffen auf Wahlen und die Analysen diverser Institute, wonach jeder Auftritt der beiden Trump-Men die Tiroler Einheitspartei (TEP) ein paar Tausend Stimmen kosten wird.

Auf der Strecke bleibt die akustische Zivilisation. Wer schreit, hat unrecht, haben wir den Kids seinerzeit beigebracht. Zu gut war vielen von uns noch in Erinnerung, wie in den Wochenschauen der Nazis herumgeschrien worden ist. Jetzt scheint alles vergessen und das marktschreierische Konzept der regionalen Kämmerer wieder salonfähig zu sein.

Während sich die Trumpelstilzchen täglich an die Zerreißgrenze des Trommelfelles heranbrüllen, bleibt zu hoffen, dass wenigstens die Eintrittstüren zum Landtag gut gepanzert oder zumindest gepolstert sind, damit dieses Geplärre abprallt.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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