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Elias Schneitter
Sprachwandel
Notizen

Das Gendern ist keine einfache Sache: Binnen-I, Sternchen, weibliche und männliche Form etc. Wofür entscheidet man sich, was ist für die Lesbarkeit am erträglichsten?

Wir wissen: „Sprache“ sensibilisiert. Es ist klar, dass der Wandel in der Gesellschaft auch in der Sprache abgebildet werden muss. Das „patriarchale Herrschaftsprinzip“ muss ersetzt werden. Keine Frage. Eine geschlechterneutrale Sprache muss gefunden werden. Das ist aber nicht so einfach.

Ich erinnere mich noch gut: als ich das erste Mal das Wort „Landeshauptfraustellvertreter“ hörte, glaubte ich an einen Scherz. Aber es war Realität! Oder, um weitere Beispiele wahllos herauszugreifen, heißt es heute nicht mehr „Muttermilch“, sondern „Menschenmilch“, oder die Bezeichnung „Putzfrau“ wird man möglicherweise durch „Putzmannfrau“ ersetzen. Hier liegt noch ein unendliches Feld von sprachlichen Änderungen und Anpassungen vor uns.

Der Wandel in der Sprache betrifft aber nicht nur das „Gendern“, sondern auch andere Bereiche.

Dazu zwei kurze Beispiele: Als ich noch in der Pflichtschule war, gab’s eine „Eselsbank“ und „Ecke stehen“, und für die ganz „Blöden“ gab’s die „Hilfsschule“. Heute gibt’s das nicht mehr. Die schwarze Pädagogik gehört der Vergangenheit an, oder sollte es zumindest. Heute spricht man von Inklusion.

In früheren Zeiten hieß es noch Kriegsminister. Dieser wurde vom Verteidigungsminister abgelöst, und heute heißt es nicht mehr „Krieg führen“, sondern „einen Friedenseinsatz starten“.

Ein weiterer kleiner aber nichtsdestotrotz spannender Bereich der Sprache ist der Gebrauch von Schimpfwörtern. „So ein Mist“ sollte man heute im ökologischen Zeitalter nicht mehr als Abwertung verwenden, denn inzwischen wissen wir, was Mist wert ist. Stadtkinder werden auf Bauernhöfe geschickt, um in der mistigen Umgebung eine natürliche Immunität zu erlangen. Oder: „Du Schwein“ – völlig daneben als Fluchwort, genauso wie „Du A…loch“ – auch falsch. Wie wunderbar ein „A…loch“ ist, merkt man erst, wenn einen die Hämorrhoiden plagen.

Also auch hier sind wir gefordert, neue Wortkreationen für Beschimpfungen zu finden, wie zum Beispiel „du stinkender Dieselmotor“ oder „du Tschernobyl“ – oder „du krachender Rasenmäher“.

Jedenfalls ein spannender Prozess, der uns im Sprachgebrauch und dessen Wandel herausfordert.

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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