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Elias Schneitter
Sepp hat Schluss gemacht.
Aus der Serie: Cafe Hoppala
Short Story

Sepp verkehrte nicht im Hoppala, aber alle kannten ihn dort, weil er täglich am späteren Nachmittag mit seinem Hund, einem Collie, draußen vorbeikam. Sepp war überall für seine Hilfsbereitschaft bekannt. Der Collie gehörte einem kranken Nachbarn und damit der Hund seinen Auslauf hatte, ging Sepp jeden Tag eine Runde durchs Dorf mit ihm. Beim Schuaster Toni (Stammgast im Hoppala) half er auch immer aus. Er stapelte seit vielen Jahren im Spätsommer das Brennholz und mistete, bis vor drei Jahren (damals verkaufte der Toni alle seine Tiere), den Schafstall aus.

Sepp wohnte mit seiner Frau im alten Pfarrwidum, „eine ganz komische Alte“, wie der Toni abfällig bemerkte. „Ich weiß nicht, wer sie ist. Ich kenne sie nicht“, sagte der Bierkollege.
„Sie geht kaum vor die Tür. Nur ganz selten. Sie meidet die Menschen!“, sagte der Toni.

Der Sepp stammte aus Osttirol. Nach der Pflichtschule war er ins Dorf gekommen und arbeitete das ganze Berufsleben lang als Hilfsarbeiter bei der Baufirma Hitthaler & Trixl. Früher hatte er übermäßig gesoffen. Wie ein Loch. Inzwischen trank er nur hin und wieder ein Bier, so auch beim Toni, wenn er für ihn das Holz für den Winter gestapelt hatte. Vergangenes Wochenende hat sich Sepp, 82-jährig, erhängt. Sein Sohn gab im Internet eine Verlustanzeige auf, weil der Vater am Abend nicht nach Hause gekommen war. Daraufhin gab es eine Suchaktion, und sie fanden Sepp sehr schnell, denn er hatte seinem Leben in der Holzhütte ein Ende gesetzt. „Das ist schon eigenartig“, sagte der Schuaster Toni, „bevor ich eine Vermisstenanzeige aufgebe, such ich im eigenen Haus. Aber die Frau ist, wie gesagt, komisch.“

Dem Schuaster Toni ging der Tod seines alten Kumpels sehr nahe. Sepps Frau hatte eine Behinderung. Ein Bein war vier Zentimeter kürzer als das andere. Dagegen hatte sie eine Hüftprothese bekommen und das Bein war dann nur noch einen Zentimeter kürzer. Darum ist der Sepp zum Toni gekommen und hat ihn gebeten, die Schuhe anzupassen. Der Toni hat die Schuhe abgeschliffen und für seine Arbeit nichts verlangt.
„Du stapelst mir immer das Holz auf und den Stall hast du mir auch oft ausgemistet“, sagte der Toni. „Das geht in Ordnung. Das kostet für dich nichts.“
Der Sepp bedankte sich. Aber eine Stunde später kam die Frau und beschwerte sich lautstark. Sie seien keine armen Leute und könnten sich die Schuhreparatur schon leisten. Sie wolle nichts geschenkt! Der Auftritt hat den Toni zuerst überrascht und dann fast schon zornig gemacht. „Steck dein Geld ein und sei froh, wenn du nichts zu bezahlen hast“, hat er zu ihr gesagt und hat sie mit dem kleinen Geldschein in der Hand bei der Tür hinauskomplementiert.

„So komisch ist diese Frau“, wiederholte der Toni im Hoppala. „Ich weiß gar nicht, ob ich zum Rosenkranz vom Sepp gehe.“
„Ich finde das nicht komisch“, meinte der Bierkollege. „Sie will sich nichts schenken lassen. Was ist daran komisch?“
„Wenn das nicht komisch ist“, wich der Toni nicht von seiner Meinung ab, „da will man einem armen Teufel unter die Arme greifen und dann lehnt er das ab. Das ist für mich schon komisch!“
„Ich finde es eher komisch, dass man sich mit 82 aufhängt“, sagte der Kollege.
„Mit so einer Frau, da hänge ich mich auch auf“, sagte Toni und bestellte noch eine Runde.
„Da müssten sich aber viele Männer aufhängen“, sagte der Kollege, um das Ganze ins Lächerliche zu ziehen, weil er der Meinung war, dass ein Selbstmord kein Thema fürs Hoppala war. Er sagte das einfach, damit etwas gesagt war. „Ich mag kein Bier mehr“, schlug er die Einladung aus.
„Aber sicher trinken wir noch eine Runde, eine letzte“, ließ sich Toni nicht abbringen.

Daraufhin stellte der Barmann zwei Flaschen auf den Tresen. Sie tranken das Bier immer aus der Flasche, sodass sie keine Gläser brauchten.



Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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