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Elias Schneitter
Mafiamutationen - Bücherverbrennung
Notizen

Mafiamutationen

Der Maskenproduzent „Hygiene Austria“ (nomen est omen!?) mit politischen Verbindungen bis ganz nach oben hin hat gezeigt, wie Teile der Wirtschaft in Österreich funktionieren: mit Etikettenschwindel, Scheinfirmen, Steuerhinterziehung, Sozialdumping und Sozialbetrug. Und es wurde aufgezeigt, wie Unternehmen es verstehen, die Krise zu ihrem Vorteil zu nutzen. Leiharbeiter und auch Arbeitslose werden, wenn überhaupt, geringfügig angestellt, aber voll beschäftigt, teilweise schwarz bezahlt. Dafür kassiert man vom Staat noch allerlei Hilfsförderungen und Dienstnehmer Kurzarbeitergeld. Also alles korrupt, von oben bis hinunter.

Wie immer, wenn solche Sauereien aufgedeckt werden, heißt es, dass es sich nur um einige schwarze Schafe handle. Ich bin allerdings überzeugt, dass diese Mafia-Mutation in Österreich sehr verbreitet ist.

Der Sozialstaat ist die größte gesellschaftliche Errungenschaft des zwanzigsten Jahrhunderts. Mit den Privatisierungen und neuen weltweit agierenden Firmengeflechten sind wir gerade dabei, ihn auszuhebeln.

Ich war immer der Meinung, dass es im Interesse eines jeden vernünftigen Menschen sein müsste, in einer demokratischen Gesellschaft mit halbwegs gerechten Strukturen in sozialem Frieden zu leben. Da bin ich offenbar einer Fehleinschätzung aufgesessen. Nicht die Sehnsucht nach sozialem Frieden scheint die Menschheit zu motivieren, sondern Gier und falsch verstandener Individualismus.

Bei den Vertretern des Neoliberalismus werden jedenfalls die Champagnerkorken knallen. Zuerst haben sie sich bei den Privatisierungen die Taschen gefüllt. Inzwischen holen sie noch aus der Krise das Letzte aus dem Staat heraus. Eine solche Entwicklung kann nur in ein Desaster führen.

Postskriptum:
Als politisch Interessiertem kommt mir vor, dass die Nerven bei Österreichs Politikern leider blank liegen. Der Bundeskanzler scheint sie wegzuwerfen und Kickl den Verstand verloren zu haben.


Bücherverbrennung

WARNUNG: Dieser Text wurde aus Gründen der Lesbarkeit nicht in einer der gängigen neuen Gender-Versionen geschrieben. Mit anderen Worten: patriarchalisch und hinterwäldlerisch verfasst. Menschen, die diese veraltete Form ablehnen, werden höflich gebeten, von der Lektüre Abstand zu nehmen. Danke.

Zwischen Autoren und Kritikern herrscht seit jeher ein Spannungsfeld. Autoren fühlen sich gern unverstanden, werfen Kritikern Oberlehrerverhalten oder überhaupt das Eunuchensyndrom vor.

Noch heute ist vielen das „Literarische Quartett“ rund um den Großkritiker Marcel Reich-Ranicki in Erinnerung. MRR war für seine impulsive Art bekannt. Bei Autoren war er alles andere als beliebt, weil er mit seiner Sprachkraft und seiner ausgefeilten Rhetorik Bücher verdammen konnte, und nur in den seltensten Fällen Texte und Autoren lobte. MRR war eine Institution, wie es sie heute in der Literaturszene nicht mehr gibt.

Das „Urteil“ von MRR und dem literarischen Quartett hatte großen Einfluss auf den Bücherverkauf. So erzählte Wilhelm Genazino einmal, dass seine Bücher in der Regel eine Auflage von 3.000 Stück hatten. Als aber einer seiner Romane im LQ positiv besprochen wurde, schnellten die Verkaufszahlen auf 60.000 hinauf.

Heute gibt es jährlich im deutschsprachigen Raum an die 80.000 Neuer-scheinungen. Da verliert man zwangsläufig den Überblick. Das Verlagsgeschäft und die Buchproduktion haben sich in den letzten zwei, drei Jahrzehnten grundlegend verändert. Dennoch kann man sagen, sofern die Angaben des Buchhandels stimmen, dass sich der Buchmarkt trotz aller Krisen immer noch gut behaupten kann.

Auch wenn der Großteil der Buchbesprechungen nicht über den Inhalt der Klappentexte hinausgeht, so haben sie immer noch ihren Platz in den meisten Medien. Auch Büchersendungen im TV haben ihr Publikum und ihre Zuseher, auch wenn sie nicht an das LQ heranreichen.

Eine ganz spezielle Sendung moderiert dabei Denis Scheck im ARD. Dabei versucht er auf poppige, lockere, unterhaltsame Weise Autoren und ihre Bücher zu präsentieren. Unter anderem wird dabei auch jedes Mal die Bestenliste des Spiegel auf eigenartige Weise bewertet. Nach Ansicht Schecks „miese“ Bücher werden voll Verachtung über ein Rollband in den Müllcontainer geworfen.

Eine Geschmacklosigkeit! Zum einen ist es eine Herabwürdigung der Arbeit und Bemühungen von Autoren, von denen wohl keiner mit Absicht ein schlechtes Buch geschrieben hat. Vor allem ist es jedoch eine Geschmacklosigkeit, weil dieses Wegwerfen von Büchern, diesmal zwar auf umweltschonendes Recycling bedacht, gerade im Land der Bücherverbrennung einen sehr schalen Nachgeschmack hinterlässt. ARD und Herr Scheck sollten darauf verzichten.

 

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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