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Elias Schneitter
Impfskepsis, Impfneid, Marketingstrategie und Plastilin

Als im Herbst des letzten Jahres bekannt wurde, dass ein Impfstoff gegen das Coronavirus bald zur Verfügung steht, schossen Börsenkurse in die Höhe, redeten politisch Verantwortliche erleichtert von einem Licht am Ende des Tunnels. Die EU habe im Voraus genügend Dosen angekauft, um zumindest 70 % der Bürger*innen immunisieren zu lassen.

Auch in Österreich poppte Hoffnung auf. Impfpläne wurden erstellt, Vorbereitungen getroffen und am 27.12. wurde der Impfstart marketingmäßig großartig inszeniert (da ist unsere Regierung Goldmedaillen-verdächtig) und dann ging man erst einmal in die Weihnachtsferien, ehe es mit der Impferei so richtig losgehen sollte.

Überraschenderweise stellte sich aber bald heraus, dass in der Bevölkerung eine massive Impfskepsis vorherrschte. Laut Umfragen wollten sich bis zu 60 % nicht mit dem neuen Serum immunisieren lassen. Der Impfstoff sei nicht ausgereift und nicht genügend erprobt. Spätfolgen können nicht ausgeschlossen werden. Was ist, wenn man geimpft wird, ist man da noch ansteckend? Viele wollten einfach abwarten und andere (man ist ja ein höflicher Mensch!) sollten vorangehen, dann kann man sich ein Bild machen. Zur Vorhut musste man ja nicht gleich gehören. Eine große Skepsis herrschte plötzlich vor.

Diesem Misstrauen wollten Politik und Wissenschaft mit Aufklärung, Information und Transparenz entgegentreten. Es gab sogar die Forderung in den Medien, dass die politisch Verantwortlichen mit gutem Beispiel (siehe Israel) vorangehen und sich die Spritze vor laufender Kamera verabreichen lassen sollten. Das hätte Vorbildwirkung.

Aber dann kam es – beinahe über Nacht – zu einem Wandel bezüglich der Impfbereitschaft. Im Theater würde man sagen, „Deus ex Machina“ führte Regie. Die Medien überschlugen sich mit der Meldung, dass es bei den Impfstoffen zu Lieferschwierigkeiten kommen werde. Nicht mehr für jeden sei Serum vorhanden.

Daraufhin änderte sich die Einstellung der Bevölkerung schlagartig. Die Zahlen der Impfwilligen schossen in die Höhe, wie einst die Börsenkurse. Aus Impfskepsis wurde über Nacht Impfneid. Einige Bürgermeister, die sich „so nebenbei“ mit Restampullen impfen ließen, wurden plötzlich an den Pranger gestellt. Nichts mehr mit Vorbildwirkung und vorangehen. Sie wurden verteufelt.

Manchmal bin ich natürlich auch ein böser Mensch und darum vermute ich, dass die Meldungen dieser Lieferengpässe von den Produzenten absichtlich in die Welt gesetzt wurden, um das Impfverhalten der breiten Masse anzukurbeln. Schließlich geht’s da ja um ein riesiges Geschäft und jede Impfdosis ist ein „nugget“, an dem verdient wird. Natürlich ist diese meine Vermutung fragwürdig, aber aus der Verkaufspsychologie kennt man ja die Tricks, wie man Massen manipuliert. Man muss einen Sog erzeugen, einen Mangel, zumindest vortäuschen. Mit dem Hinweis, es sei mehr als genug für alle vorhanden, erreicht man den Sog nicht. Den erreicht man mit der Botschaft: Solange der Vor-rat reicht! Da bringt man die Massen in Bewegung.

Ein guter alter Freund sagt immer, wir Menschen als Masse sind wie Plastilin, knet- und veränderbar so wie es die Strategen des Marketings wollen. Das ist übrigens nicht nur beim Impfstoff so. Das gilt für die meisten Bereiche des Lebens.

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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