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Anton Adlers Notizen aus der Provinz
Wenn sonst nichts hilft, dräut Dialog.

Der Eine oder die Andere von Millionen Gefolterten dürften noch leben, der oder die sich an das ödeste Medienformat erinnern kann, das der ORF je hervorgebracht hat: „Die Belangsendung“. Insgeheim hegt der Verfasser dieser Zeilen ja den Verdacht, dass es einen Zusammenhang zwischen den sozialpartnerschaftlich ausgehandelten Propagandaüberfällen auf das damals noch weitgehend umschaltoptionslose TV-Publikum und der inzwischen sehr lange anhaltenden Krise der Politik gibt.

In der Watt- und Speckrepublik Südtirol geht man nun mit viel Einsatz und unter Aufbietung des Spitzenpersonals daran, „Die Belangsendung“ in ihrer Ödnis zu toppen und vergisst dabei großherzig den einzigen Vorteil des klassischen ORF-Hoppalas: Die Jubelmeldungen aus den Untiefen der parteigetriebenen Sozialpartnerschaft waren kurz. Und manchmal ging sich nicht einmal ein herzhaftes Schifferle aus, bevor mit Heinz Conrads wieder die beste aller Welten in das heimische Stübchen einzog.

Allerdings geschieht dies in Südtirol heute unter einem neuen Namen: In Kernalpinien nennt man das nun „Dialog“. Zu einem solchen lud jüngst Südtirols schönster/zweitschönster Politiker ein.

Der Landwirtschaftsminister, wie er in bundesreichsdeutschen Medien ehrfurchtsvoll bezeichnet wird, seit er die weltweite Antipestizid- und Umweltbewegung per Prozessandrohung in einen Lausbubenchor verwandelt hat, der nun die Hintergrundmusik für die Bayer-Monsanto-Werbung summen darf – dieser Südtiroler Landwirtschaftsminister Schuler hatte die Besten seines Landes um sich geschart, um den ultimativen Befreiungsschlag für das „Imätsch“ der Südtiroler Landwirtschaft auszuhecken. Eile war geboten, bevor der Bannerträger grüner Perfidie, der Wolf, die letzten Reste des einst stolzen Standes vor die Beißer kriegt.

Die Dramatik der „Imätsch“-Lage war kurz zuvor evident geworden, nachdem der bäuerliche Geheimdienst berichtet hatte, dass ein ehrbarer Kollege und Apfelbaron sich auf dem Kirchplatz in St. Pauls vor versammelter Gemeinde die Frage eines – Geloppseijesuskrischtus! – grünroten Lehrerleins gefallen lassen musste, ob der neue AUDI S8 turboroyalpinklady auch mit landwirtschaftlichem Benzin betrieben werden könne.

Als auch die Schaltung von Bergbauernbildern mit blauen Schürzen und Trauermusik und die Blockade sämtlicher Radwege nicht mehr imstande waren, das angekratzte Bild des nobelsten Standes auf Vorpestizidniveau zu heben, reifte in den agrarischen Amtsstuben die Gewissheit heran, dass nun wohl nur mehr die Atombombe unter den Kommunikationsformaten das Image-Tief beheben könne: ein Dialog.

Herausgekommen ist dann eine zweistündige Online-Belangsendung inklusive mehrerer Wackeldackel und einer Moderation nach chinesischem Parteitagsmodus, Einbahnkommunikation im Rosenkranzduktus, mit der üblichen Verteufelung unsensibler KonsumentInnen und der auch aus dem Norden bekannten absolutorischen Abschlussformel, die keinen Platz für Weiteres lässt: Wir machen alles richtig.

Das erinnert Sie an etwas? Richtig!
An die DDR. Vor 40 Jahren. Hat dort eigentlich auch nicht sooo gut funktioniert…

Anton Adler, Café de la Paix, Djibouti



Anton Adler

Anton Adler wurde Anfang der Sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts als einziger Sohn einer Kaufmannsfamilie in Brixen geboren und absolvierte dort die ortsbekannte katholische Krämerseelen-Initiation inklusive Knabenseminar und Ministriermarathon. Nachdem seine Eltern bei einem Beichtunfall ums Leben gekommen waren, als Anton gerade einundzwanzig Jahre alt geworden war, verkaufte er den elterlichen Besitz bis auf die überraschenderweise im Giftschrank seines Vaters aufgetauchte Tucholsky-Gesamtausgabe. Dann wandte er sich dem noch nicht abgeschlossenen Studium der gepflegten Freizeitgestaltung zu, verbringt immer wieder einmal ein paar Monate in Südtirol und reist mindestens das halbe Jahr in der Welt herum. Technischen Herausforderungen zugeneigt und immer auf dem neuesten Stand der Kommunikationsmöglichkeiten, ließ er sich in Tadschikistan zum Geheimdienstler ausbilden und unterhält mittlerweile ein dichtes Netz an InformantInnen, die ihm aus dem Kerntiroler Erbfürstentum an Eisack, Etsch und Rienz den Rohstoff für seine Schreibübungen liefern.

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