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Anton Adlers Notizen aus der Provinz
Der Komödiant im Zitronenland
Oder: Die Schlafmützenlitanei

Wie schön lässt es sich aus dem Ausland, das weltweit (fast) überall ist, auf Italien herablästern. Was ist das für ein Land, in dem ein alternder Playboy und Medienmogul Regierungschef werden konnte? War das schon europaweit als Höhepunkt einer rauschhaften Operette wahrgenommen und von vielen Italienern und Italienerinnen schmerzhaft erlitten worden, gelang es dann sogar noch einem Hofnarren urtümlichster Prägung der eh schon überbizarren Politik im Dolce-far-niente-Stiefel seinen komödiantischen Stempel aufzudrücken und mit Hilfe von fünf Sternen das Parlament in ein schräg-schummriges Sternenlicht zu rücken.

Wie oft haben Sie sich, liebe Ausländer und AusländerInnen, die diese Zeilen lesen – wie oft haben Sie sich von wohlig den Rücken rauf und runterlaufenden Schauerwellen im kunstledernen Fernsehsessel wachhalten  lassen, wenn wieder einmal römische Anekdoten in Nachrichtenform auf Sie losgelassen wurden und Ihnen damit ein für alle Male ins Stammhirn gehämmert wurde, wie wunderbar es sich doch in stabilen und klaren Machtverhältnissen leben lässt?

Vor Unwetter, Wasser, Berlusconi, Grillo und Blitz, oh Herr uns beschütz! Herr, segne die Schwarzen, äh… Türkisen, die Kurzens, die Merkel – und schon läuft das Werkl!

Am Aufstieg von Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung und an den Reaktionen darauf im Ausland, das – wir erinnern uns! – auch in der Alten Welt (fast) überall ist, kann man erkennen, warum es aus der schönen und gerührt sich die Hände reichenden Europa-Familie einfach nichts werden will: Wir schaffen es nicht einmal, uns unter den wesentlichen Begriffen ein Gleiches vorzustellen wie unsere Nachbarn, geschweige denn, dass so etwas wie eine transversale europäische Öffentlichkeit quer durch die Nationen entstünde, die nicht mehr so einfach wie bisher von den Provinzherrschern mittels nationaler Erregbarkeit in den Kindergarten der Geistesentwicklung zurückgetrieben werden könnte. Ganz so wie die Hühner am Abend wieder in den Stall kommen. Die meisten sogar frühzeitig und freiwillig, sodass Onkel Basti, Tante Angela, Vetter Viktor und le grand cousin Emmanuel nur mehr das Hennenstalltürl ins Schloss fallen lassen müssen.

Herr, schütz Cousins, Onkeln, Vettern und Tanten! Und bewahr‘ uns vor Medienheinis, Playboys und Komödianten!

Komödiant! So lautete das massenmediale politische Todesurteil für Beppe Grillo im Ausland. Dem Medienkonsumenten im Donau-Blinddarm war sofort klar: Ein Komödiant? Das ist Stermann/Grissmann in einer Person, der das Bel Paese zu Tode blödelt. Teutonisch gefärbte Medienkonsumenten orientierten sich da eher in Dschungelcamp-Dimensionen und beiden war und ist es gemeinsam, dass sie zwar gern und heimlich schenkelklopfende Abende im Kunstledersessel zubringen, wenn diese Glücksritter des Unter-Stammtisches für Quote sorgen. Aber regieren – nein, regieren sollten Stermann-Grissemann und die würmerfressenden Scherzkekse dann doch besser nicht.

Herr, schütz die Blödler, solange wir lachen! Schenk den Politikern Weisheit, wir lassen sie machen.

Beppe Grillo war ein krachender Kabarettist und füllte Sporthallen mit tausenden Besuchern dutzende Male, wenn er mit seiner ätzenden Analyse der politischen Verhältnisse durch die Lande zog. Er gab dem Volk eine Stimme, wenn er in jeder Stadt, in der er auftrat, Ross und Reiter nannte, Skandale und Verbindungen aufzeigte und die wahren Gründe für den Zustand Italiens geißelte: Vetternwirtschaft, Korruption, fehlender Gemeinsinn, Partitokratie und die Auswüchse der Bürokratie, Steuerhinterziehung und die langen Arme des organisierten Verbrechens. Da konnte Beppe fuchtig werden und er wurde verstanden. In den Stuben, in den Küchen – und in den Palästen.

Das parteiengeführte Staatsfernsehen würdigte ihn keiner Kamera. Das Privatfernsehen hatte Berlusconi. Doch Grillo füllte die großen Säle in der ganzen Republik. Als ein wehleidiger politischer Wendehals und Machtfaktor im mittelinken Lager mitteilen ließ, Piero Fassino mit Namen, Grillo solle in den Sälen keine Politik machen, sondern eine Partei gründen, wenn er die Palle dafür hätte, wurde Grillo zum politischen Tribun und startete ein beispielloses politisches Projekt.

Herr, lass alles bleiben, wie es ist, ist’s schon gut! Verschon uns, oh Herr, vor Wandel und Wut!

Kein politisches Projekt in Europa hat es in so kurzer Zeit geschafft, so viele neue, vielseitig qualifizierte und alltagsnahe politische Menschen ins Parlament zu bringen, wie Grillos Fünf-Sterne-Bewegung. Das Einzige, was diesen Menschen aus dem wahren Leben fehlte, war die Kenntnis des schlüpfrigen Parketts des politischen Konzerts und der doppelten Böden in den Palästen der Macht.

Zudem verpasste Grillo den goldenen Moment des Rückzugs, der sich am Tag des Triumphes, am 25. Februar 2013 geboten hätte, als die Fünf-Sterne-Bewegung zum ersten Mal bei Parlamentswahlen angetreten war und mit über 25% der Stimmen die stärkste Kraft geworden war. Da schaffte er es nicht, loszulassen und seiner Bewegung die Reife zuzugestehen, den neuen Weg ohne seine Führung zu gehen. Das wäre ein „finale grande“ gewesen und hätte Grillo zur wahren moralischen Instanz gemacht.

Herr, schick‘ Basti Weisheit, send‘ Angela Kraft! Wir haben doch bisher so viel schon geschafft!

Während anderswo Wege in eine ungewisse Zukunft gesucht und die politischen Handlungsspielräume ausgelotet werden, sorgt bei Ihnen zu Hause der Wunsch nach Stabilität und die Angst vor Zugluft rund um die wohl angepasste und goldbestickte Schlafmütze für stabile Verhältnisse. Es gibt zwar in der Alpen-Donau-Restregion keine ÖVP mehr – upps, haben wir da etwas übersehen? Aber das macht nichts. Und man muss sich beim Regieren doch nicht selber die Hände schmutzig machen! Das gibt nur schlechte Presse.

Herr Pierer, Frau Horten, Herr Glock, die Novomatiker-Sekte & Co., die lassen regieren. Bussibussi!

Anton Adler, dzt. Trattoria La Solita Zuppa, Chiusi

Anton Adler

Anton Adler wurde Anfang der Sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts als einziger Sohn einer Kaufmannsfamilie in Brixen geboren und absolvierte dort die ortsbekannte katholische Krämerseelen-Initiation inklusive Knabenseminar und Ministriermarathon. Nachdem seine Eltern bei einem Beichtunfall ums Leben gekommen waren, als Anton gerade einundzwanzig Jahre alt geworden war, verkaufte er den elterlichen Besitz bis auf die überraschenderweise im Giftschrank seines Vaters aufgetauchte Tucholsky-Gesamtausgabe. Dann wandte er sich dem noch nicht abgeschlossenen Studium der gepflegten Freizeitgestaltung zu, verbringt immer wieder einmal ein paar Monate in Südtirol und reist mindestens das halbe Jahr in der Welt herum. Technischen Herausforderungen zugeneigt und immer auf dem neuesten Stand der Kommunikationsmöglichkeiten, ließ er sich in Tadschikistan zum Geheimdienstler ausbilden und unterhält mittlerweile ein dichtes Netz an InformantInnen, die ihm aus dem Kerntiroler Erbfürstentum an Eisack, Etsch und Rienz den Rohstoff für seine Schreibübungen liefern.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Anton Adler

    Verehrte Frau Mittich, dazu nur soviel: Gestern war nicht alle Tage, ich komm wieder (auf das Thema zurück), kein Frage!

  2. Waltraud Mittich

    Also: vorausgeschickt, dass ich die Cinque Stelle nie gewählt habe, konstatiere ich eine ziemlich ausgeprägte Unwissenheit denselbigen gegenüber. Der 5-Sterne Mann Roberto Speranza, jetziger und voriger Minister für sanità, ist sehr fähig. Giuseppe Conte, zwar parteilos: nunmehr wird er den Vorsitz der Partei übernehmen. Dies nur zwei Beispiele. Also: Zuerst informieren und dann das Kind mit dem Bade ausschütten. Besten Gruß

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