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Alois Schöpf
Von Frömmlern und Karrieristen
Wie man mit politischer Korrektheit Gegner ausschaltet und damit die Moral ruiniert.

Aufgrund seiner Beschwerde über die Corona-Maßnahmen der Regierung auf Facebook musste der Kammerfunktionär Karl Ischia dieser Tage seinen Posten als Bezirksobmann der Wirtschaftskammer Innsbruck räumen. Der Präsident der Tiroler Wirtschaftskammer Christoph Walser bezeichnete den Hinausschmiss als „alternativlos“. Dem Abgang des Funktionärs ging angeblich ein Sturm der Entrüstung in den sozialen Medien voraus, wobei die Tiroler Tageszeitung in ihrem Bericht vom 24. September namentlich den SP-Stadtparteichef Benjamin Plach und die grüne Nationalratsabgeordnete Barbara Neßler erwähnte. Beide bezichtigten Ischia des Rassismus. Dieser Einschätzung schloss sich auch Kolumnist Manfred Mitterwachauer an, wenn er in der Einleitung seiner Kolumne auf Seite 2 schreibt: „Man muss kein Rassist sein, um ein rassistisches Posting vom Stapel zu lassen.“

Fairerweise zitiert die Zeitung das Statement Ischias vollinhaltlich, sodass noch halbwegs bei Sinnen Gebliebene selbst beurteilen können, was es mit dem Rassismusvorwurf auf sich hat. Dabei wird ihnen, wie auch dem Autor der vorliegenden Zeilen, nicht ein Schaudern schlechten Gewissens erspart bleiben, wenn sie sich plötzlich genötigt sehen, die Frage zu stellen: Bin ich vielleicht gar selbst ein Rassist, wenn ich beim besten Willen folgender Äußerung keinerlei Rassismus entnehmen kann?

„Statt die Somalier-, Türken-, Jugo- und Hipsterclubs, wo die Infektionen nach Mitternacht stattgefunden haben, rasch zuzusperren, werden jetzt Hotels, Restaurants und Bars mit allen erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen, wo sämtliche Mitarbeiter wöchentlich getestet werden, um 22:00 Uhr zugesperrt. Das ist einfach ungerecht und undifferenziert. Das versteht niemand mehr.“

Um zu beurteilen, ob die an Ischia gerichteten Vorwürfe und damit sein plötzliches Karriereende gerechtfertigt sind, ist es empfehlenswert, vorerst einmal die von Wikipedia vorgeschlagene Definition von Rassismus zu zitieren:

„Rassismus ist eine Gesinnung oder Ideologie, nach der Menschen aufgrund weniger äußerlicher Merkmale – die eine bestimmte Abstammung vermuten lassen – als „Rasse“ kategorisiert und beurteilt werden. Die zur Abgrenzung herangezogenen Merkmale wie Hautfarbe, Körpergröße oder Sprache – teilweise auch kulturelle Merkmale wie Kleidung oder Bräuche – werden als grundsätzlicher und bestimmender Faktor menschlicher Fähigkeiten und Eigenschaften gedeutet und nach Wertigkeit eingeteilt. Dabei betrachten Rassisten alle Menschen, die ihren eigenen Merkmalen möglichst ähnlich sind, grundsätzlich als höherwertig, während alle anderen (oftmals abgestuft) als geringerwertig diskriminiert werden.“

Vor dem Hintergrund dieser Definition ist festzuhalten: Alle von Ischia angeführten Clubs werden gleichwertig durch einen Bindestrich verbunden und enden bei den Hipstern, für die definitionsgemäß gilt, sie seien „Anhänger einer Jazz-Bewegung, der es vor allem darum geht, Abstand zur Spießigkeit zu gewinnen und ihre eigenen Ideale zu vertreten.“ Die mit dem Begriff des Rassismus unverbrüchlich verbundene Herabwertung von Menschen aufgrund allfälliger Körpermerkmale oder auch ihrer Kultur ist somit durch die eindeutige sprachliche Verbindung von Clubs, in denen vorwiegend Personen mit Migrationshintergrund verkehren, mit einer Bewegung, die dem urbanen Milieu weißer Mittelschichten zuzurechnen ist und die sich dem aus der afroamerikanischen Kultur entstandenen Jazz verbunden fühlt, ausgeschlossen.

Neben dieser rein sprachlichen Analyse bezieht sich die Aussage Ischias auf Fakten, die mehrfach nicht nur von den zuständigen Ämtern der Stadt Innsbruck und des Landes Tirol veröffentlicht, sondern auch in allen gemeinhin als seriös geltenden Medien kolportiert wurden. So ließen sich Mitte August die steigenden Infektionszahlen in Innsbruck nach Aussage des Leiters des Corona-Einsatzstabes Elmar Rizzoli neben Kroatien-Heimkehrern vor allem auf einen Cluster zurückführen, der mit einem somalischen Kulturverein in Zusammenhang stand. Tatsache ist ebenso, dass türkische Hochzeiten mit 300 bis 700 Gästen auch in Tirol Ausgangspunkt von Covid-19-Infektionen waren. Über genaue persönliche Kenntnisse der sogenannten Jugo-Szene verfügt Karl Ischia übrigens als Nachbar und Immobilieneigner des Nachlokals, in dem vor allem Angehörige oder Abkömmlinge jener Staaten verkehren, die, um es einmal ganz korrekt auszudrücken, früher, als sich ihre Heimatländer noch nicht voneinander getrennt hatten, Jugoslawen hießen, und deren bevorzugter Treff, der Queens Club, sich ebenfalls zu einem Infektionsherd entwickelt hatte. Dies geht jedenfalls aus einem öffentlichen Aufruf des Landes Tirol vom 10. September hervor, in dem Besucher des Queens Clubs aufgefordert wurden, nach dem Besuch einer Party vom 5. September ihren Gesundheitszustand genau zu beobachten.

Bleibt zuletzt die Frage, ob die umgangssprachlichen Abkürzungen in Ischias Statement als rassistisch einzustufen sind. Dabei war von dem in allen Medien benutzten Begriff des Somalier-Kulturvereins, dessen Bezeichnung als „Club“ wohl kaum als rassistisch einzustufen ist, bereits die Rede. Von Türkenhochzeiten wiederum spricht sogar als Ort der rücksichtslosen kulturellen bis hin zur nationalistischen Selbstvergewisserung einer Community sogar der Hohepriester der politischen Korrektheit Hans Rauscher im Standard, womit lediglich noch der Begriff „Jugo“ als möglicher Beweis rassistischer Gesinnung übrig bleibt. Ein gleichsam auf körperlichen Merkmalen basierender Rassismus ist dabei durch die gemeinsame Geschichte im Rahmen des Habsburgerreiches und des aus dieser Zeit bereits sehr starken Bevölkerungsanteils von Bewohnern der ehemaligen Kronländer geradezu grotesk. Eine leicht abwertende Note, wie sie zum Beispiel auch dem Ausdruck „Walsche“ aus dem Munde eines Nordtirolers, wenn er Italiener meint, innewohnt, ist hingegen für besonders sensible und edle Gemüter nicht ganz auszuschließen, was unmittelbar zum politisch diagnostischen Teil der Überlegungen führt.

Wer nämlich tatsächlich und ehrlichen Herzens an den Äußerungen Ischias rassistische Elemente ausmachen kann, steht seinerseits unter Verdacht, der postmodernen Ausformung des Frömmlers anzugehören, der ursprünglich als ein Zeitgenosse zu definieren ist, der sich durch besonders gottgefälliges Betragen über seine Mitmenschen zu erheben versuchte. Aktuell ist es nicht mehr Gott und die Notwendigkeit, sich demonstrativ an ihn und seine Stellvertreter auf Erden heran zu machen, sondern es ist die an seine Stelle getretene politische Korrektheit. Ihre öffentlichkeitswirksame Befolgung garantiert sowohl eine erhöhte mediale Präsenz und eine zumindest angenommene erhöhte Attraktivität für potenzielle Wähler.

Zumindest das erstere, die mediale Aufmerksamkeit, ist allen drei von der Tiroler Tageszeitung namentlich zitierten Damen und Herren gelungen. Herr Plach durfte als SP-Stadtparteiobmann endlich einmal aus dem Schatten der SP-Hoffnungsträgerin Elisabeth Mayr treten und ebenso einen kleinen Scheinwerfer auf sich gerichtet fühlen wie die Grüne Barbara Neßler, von der man seit Monaten nicht mehr weiß, als dass sie hübsch anzusehen ist (Hallo Frömmler, das ist jetzt eine sexistische Bemerkung!). Bleibt der Präsident der Tiroler Wirtschaftskammer Christoph Walser, den es offenbar von Thaur aus mit aller Macht zu höheren Ehren drängt. Ganz im Sinne seiner Vorbilder Günther Platter und Beate Palfrader, für die niemals durch Gerichte bestätigte Verdächtigungen ausreichen, um sich von ehemaligen Lieblingen wie von der Beulenpest Befallenen zu distanzieren, packte er mit kalkuliertem Machtinstinkt die Moralkeule aus, wo es eigentlich nichts auszupacken gibt, um eine angeblich besonders hohe Gesinnung als Treibmittel für die eigene Karriere zu instrumentalisieren. Im Wissen, dass all jene, die mit seiner Aktion nicht einverstanden sind, und das sind sehr viele, in typischer Tiroler Feigheit den Mund halten werden, erschlug er einen Konkurrenten oder zumindest einen Missliebigen, den er los haben wollte, mit Rassismusverdacht.

Dieses Geschäft mit der Moral ist nicht nur widerwärtig, sondern erweist all jene, die es betreiben, als die wahren Unmoralischen. Und es erklärt, auf kleinkarierte provinzielle Verhältnisse heruntergebrochen, wie es möglich ist, dass ein deklarierter Weibergrabscher, Narziss und Aufschneider das Präsidentenamt im mächtigsten Staat der Welt erringen konnte. Vor die Wahl gestellt, ob sie lieber jemanden wählen, den sie vor dem Hintergrund ihrer eigenen Lebenssituation verdächtigen, die Moral lediglich zu missbrauchen, um unmoralisch d.h. eigennützig zu handeln, oder jemanden, der von vorne herein und offen unmoralisch spricht und eigennützig handelt, wählen Sie zwischen den zwei Übeln zumindest das ehrlichere. Und schreiben die politischen und medialen Eliten insgesamt ab.

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. nikolaus kommer

    Allen Halbweges bei Sinnen gebliebenen ist klar, dass dieser Facebook-Eintrag nicht rassistisch, sondern nur blöd und unnötig ist. Soweit mir bekannt ist, müssen alle Betriebe um 22 Uhr schließen. Aber, dass einem zur Zeit einmal die Hutschnur reißt, ist für mich mehr als verständlich. Vielleicht nicht gerade auf Facebook. Zu Walser fällt mir nur ein Spruch ein, den ich einmal in einem Büro eines Bekannten gelesen habe: Stürmischer Aktionismus weist oft auf geistige Windstille hin.

  2. E.+Schneitter

    … kann mir denken, was sich herr ischia, den ich persönlich nicht kenne, über den vorfall denkt. die säuberungsaktionen der gralshüter des wahren und schönen wortes übersehen gerne eins, dass sie den weg für jene ebnen, die nur noch abgeschliffen und karrieresüchtig an die ruder kommen… mit der folge, dass dann nichtssagende moderatorinnen und moderatoren die politik bestimmen. von den haben wir inzwischen jede menge in österreichs politik, bis ganz oben hin. leider.

  3. und ganz nebenbei ist der karl ischia ein sehr sympathischer, empathischer, fröhlicher verkäufer von südfrüchten aller art – sein obst und gemüsekistl, das er während der corona-zeit in seiner firma zusammengestellt und zugestellt hat, war großartig, und mehr als erschwinglich….

  4. Franz viertl

    Wieder mal ein Superbericht!!!
    Der Großteil der bevölkerung lässt sich von den selbsternannten Moralaposteln tyrannisieren, unterstützt von den meisten
    Medien.

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