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Alois Schöpf
Das hatten wir schon!
Essay

Diesen Mittwoch interviewte Fernsehmoderator Martin Thür in der ZIB 2 um 22.00 Uhr Bundeskanzler Sebastian Kurz. Konkret ging es dabei um eine vom Kanzler als Blackbox bezeichnete Zusammenkunft von Beamten, welche offenbar die nach außen hin klar kommunizierte Absichtserklärung der EU-Regierungschefs, die Impfstoffe in der EU zum gleichen Zeitpunkt korrekt aufgeschlüsselt nach der Bevölkerungsgröße zu verteilen, unterlaufen hatten. Auf der Metaebene ging es naturgemäß wieder einmal darum, dem von der linksliberalen Beißgesellschaft vor allem im ORF nicht gerade geliebten Kanzler nachzuweisen, dass er unnötigerweise etwas zum Thema gemacht hatte, das er, wenn er – abgesehen von der Kunst der Selbstdarstellung – für seinen Job besser geeignet wäre, immer schon hätte wissen müssen.

Martin Thür erwies sich dabei als ein treuer Schüler Armin Wolfs, der mit brennendem Ehrgeiz das kleinbürgerliche Verhaltensmuster seiner Herkunft zu einem angeblich kritischen Journalismus geadelt hat, der, auch wenn er mit noch so vielen Preisen honoriert wurde, mit Journalismus dennoch wenig, mit Neid und Hass auf Die-da-oben jedoch sehr viel zu tun hat. Für Wolf und seine Kerlchen*Innen stehen Politiker, besonders wenn sie rechts der Mitte anzusiedeln sind, von vornherein unter dem Generalverdacht der Gier, Korruption, Rücksichtslosigkeit, Inkompetenz und des Blendens. Der zur Marotte erhobene Interviewstil, durch das Hervorkramen alter Zitate und durch verbale Haarspaltereien für das Wahre und Gute zu kämpfen, ist dabei in der altehrwürdigen Tradition eines Karl Kraus zu sehen, der sich für eine solch proletarisierte Instrumentalisierung allerdings bedanken würde. Krausens angesichts des aufkommenden Nationalsozialismus ohnehin naiver Glaube, der korrekte Gebrauch der deutschen Sprache und die Konsistenz von Argumenten garantiere eine wohlgeordnete und friedliche Gesellschaft, wurde in den Niederungen des täglichen ORF-Journalismus längst zu einem inquisitorischen Ritual, dessen Ziel es ist, im Dienste der vor den Bildschirmen sich amüsierenden Lebenszwerge (Claus Peymann) allabendlich Exemplare der ungeliebten, weil nicht genug politisch korrekten Eliten zum Abschuss freizugeben, um für das tägliche Liebedienern und Kuschen des lediglich in seinen vier Wänden kritischen Bürgers einen psychischen Ausgleich zu schaffen.

Es ist nachgerade peinlich, Leuten, die sich aufgrund ihrer Bildschirmpräsenz für bedeutend halten, in Erinnerung rufen zu müssen, dass sie es, wenn sie mit Politikern sprechen, mit Personen zu tun haben, die ganz im Gegensatz zu ihnen von der Bevölkerung gewählt wurden und denen daher, weil sie sonst nicht gewählt worden wären, als Repräsentanten dieser Bevölkerung eine entsprechende Wertschätzung entgegen zu bringen ist. Fernsehmoderatorinnen und Fernsehmoderatoren hinter ihren Pulten verdanken ihren Aufstieg im Gegensatz dazu nicht öffentlichen Wahlen, sondern im Hintergrund operierenden Strippenziehern und Parteiapparatschiks, die sie zu dem werden ließen, was sie nun zu sein glauben, und wofür sie sklavisch kämpfen, um es weiterhin  bleiben zu dürfen.

In Erinnerung zu rufen ist ebenso, dass der Journalismus ein Kind der Aufklärung ist, deren Ziel es bekanntlich ist, den Menschen durch Selbstdenken ein freieres und glücklicheres Leben zu ermöglichen. Selbstdenken jedoch setzt voraus, dass nicht aufgrund von Verdächtigungen und Unterstellungen bereits fertige Urteile über politische Ereignisse präsentiert werden, sondern dass Materialien objektiv und sachlich, wie es auch das Gesetz vorschreibt, aufbereitet werden, um es den Bürgern zu ermöglichen, sich selbst eine Meinung zu bilden. Daraus jedoch würde auch folgen, dass es nicht Ziel von Interviews sein kann, etwaigen Interviewpartnern Formulierungsfehler in Sinne des gerade aktuellen Neusprech, widersprüchliche Aussagen oder gar Unfähigkeit nachzuweisen, sondern dass es Ziel sein sollte, die Befragten zu animieren, ihre Vorstellungen umfassend zu präsentieren, um die Zuseher zu befähigen, sich selbst ein Bild über ihre Sachkenntnis, ihren Charakter und ihre Umsetzungsstärke zu machen.

Es wäre schön, wird aber wohl nicht eintreten, wenn sich die Fernsehmoderatoren und Fernsehmoderatorinnen des ORF trotz ihrer hemmenden Aufgeblasenheit dazu herablassen würden, auf oe24.tv Vater und Sohn Fellner, die mit einem winzigen Bruchteil des ORF-Budgets Sendungen produzieren müssen, dabei zu beobachten, wie sie ihre Interviewpartner behandeln: als Gäste, als Respektspersonen, als Leute also, die sich schon selbst überführen, wenn sie intellektuell oder von ihrem Job überfordert sind. Dazu braucht es weder einen Herrn Wolf noch sein Kerlchen Thür, der ein etwas redundantes Statement des Kanzlers mit der frechen Bemerkung quittierte: „Das hatten wir schon!“

Wann ist es endlich so weit, dass wir selbiges vom derzeit aktuellen ORF- Journalismus sagen können?

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Wolfgang Brechtel

    Guten Abend,
    endlich finde ich Kommentare, die das aussagen, was ich mir schon monatelang denke und weshalb ich kaum mehr ORF-Nachrichten ansehen kann.

  2. Lieber Alois,
    abgesehen davon, dass Deine Analyse den Nagel auf den Kopf trifft, habe ich es auf Facebook etwas humoristischer fomuliert:
    Da ich gestern, 17.03.21, auf ZIB 2 das Interview mit Kanzler Kurz gesehen habe, ein kleiner Kommentar von mir als Regisseur: Würde ich eine Szene zu drehen haben, in der ein beinahe vor Angst zitternder Interviewer, der aber von Hintermännern oder Hinterfrauen den Auftrag hat, seinen Interviewpartner fertig zu machen – was aber völlig in die Hosen geht – wäre Herr Thür die ideale Besetzung.
    Als normaler Mensch meine ich EIN SCHAF SOLL NICHT VERSUCHEN „WOLF“ zu sein.
    Dazu möchte ich ergänzen, dass es offensichtlich ist, dass die Redaktionsgemeinschaft dahinter ihre bekennenden oder versteckten Parteigenossen motiviert, ÖVP-Grün-Regierungsmitglieder hart ins „Verhör“ zu nehmen. Dass sie mit diesem Verhalten sowohl dem ORF als auch unserer Demokratie gewaltig schaden, das zu erkennen, dazu sind sie zu verblendet oder einfach zu dumm.

  3. Karl Heel

    Toll beobachtet und kommentiert!
    Ich kann voll und ganz zustimmen!
    Mit freundlichen Grüßen
    Karl Heel

  4. Marcel Looser

    Lieber Alois
    Ich habe eben deinen Beitrag zum Befragungsstil des Moderators Thür mit eurem Bundeskanzler Kurz gelesen – ich habe das Interview auch gesehen und mich dabei gewundert, dass hochrangige Politikerinnen und Politiker überhaupt noch bereit sind, in solche Sendungen zu gehen, um sich dann von selbstgerechten, moralisch aufgeblasenen Moderatoren respektlos behandeln zu lassen. Diese verwechseln ihren Auftrag zu kritischem Journalismus mit der Auffassung, die Zuschauer seien primär an der Meinung der Journalisten interessiert – diese wissen nämlich, was für die Welt und ihre Bewohner zuträglich und ethisch vertretbar ist.
    Mit herzlichem Gruss ins Tirol
    Marcel Looser
    P.S. Diese moralinsauren, belehrenden Moderatoren gibt es leider auch bei uns in der Schweiz; es sind seltsamerweise vor allem Männer.

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